Ein Coaching Tool zur Bewältigung von kritischen Lebensereignissen
Heute möchte ich euch ein Coaching Tool vorstellen, dass ich gern in meinen Beratungen bei plötzlich auftretenden schweren Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, anwende. Es ist so einfach wie genial. Einfach weil es lediglich aus drei Fragen besteht, genial, weil die Beantwortung der Fragen so viel Lösungspotential für den Klienten bietet.
Entwickelt wurde dieses Tool von Sylvie Reidlinger und Konstanze Hörburger ( vgl.: Coaching Magazin, " Es ist wie es ist- drei Fragen zur Tatsachenresilienz", Ausgabe 2, 15. Mai 2019).
Auf unserem Lebensweg begegnen uns immer wieder Situationen, die wir als unabänderlich akzeptieren müssen. Eine schwere Krankheit, der Tod eines Angehörigen, der langersehnte Job, den wir nicht bekommen haben. Ihr kennt diese Situationen sicher selbst aus eurem Leben. Doch wie damit umgehen? Dieses Gefühl, gegen eine Wand katapultiert zu werden, nicht ausweichen zu können, alleine mit den Ängsten zu sein. Wie kann man akzeptieren, was man eigentlich nicht akzeptieren kann? Hier helfen uns die "drei W- Fragen":
WER? WIE? WAS?
Der Aussage, "Sie haben Krebs" oder "Ihr Kind wird den Abschluss nicht schaffen" folgen Starre, Angst und Wut. Ein existentielles Gefühl des Alleingelassenseins übermannt uns. Diese sehr intensiven Emotionen werden umso stärker empfunden, da man der zuvor erfahrenen Tatsache nicht entkommen kann. Man steckt fest. Wir können die Situation nicht mehr lenken oder beherrschen.
Zunächst können wir als Berater im Coaching Erleichterung für den Klienten schaffen. Zuhören, die vermeintliche Ausweglosigkeit annehmen. Für den Moment ist es so, wie es ist. Aber eben nur für den Moment. Ein Vorgehen im Sinne von "SCHRITT FÜR SCHRITT" verschafft Erleichterung. Der große, unüberwindbare Weg wird in kleine Schritte seziert. Das schafft Überblick und nimmt die Panik davor, dass " ALLES nicht zu schaffen". Eine KLEINE Wegstrecke ist einfacher zu absolvieren als der ganze Aufstieg auf den hohen Berg. Mit diesem "Schritt für Schritt" Vorgehen schaffen wir für den Klienten Orientierung, Offenheit und Positivität. Dies öffnet den Raum für die "W- Fragestellungen".
Zunächst werden beim Klienten Fragen aufkommen wie: "Warum ich?", "Wie soll ich das schaffen"?..... Fragen auf die es keine Antworten gibt und die stets unkonkret im Raum stehen bleiben. Wir als Coach können die Fragestellungen konkretisieren und zusammenfassen. So kann der Klient aktiv werden und aus der emotionalen Starre heraus finden. Wir leiten den Klienten an, sich selbst gezielt zu fragen:
WER?- kann mir helfen?, WAS?- kann ich tun?, WIE?- kann ich die Situation akzeptieren?
Die Fragen werden zunächst gemeinsam im Coaching besprochen, dienen im weiteren Prozess aber auch dem "Selbstcoaching". Sie werden immer wieder (täglich) neu gestellt und passen sich somit fortlaufend dem Bewältigungsprozess an. Die Antworten sind keineswegs starr und festgesetzt. Sie variieren und definieren sich neu. Es kann als durchaus sein, dass die helfende Bezugsperson wechselt. So kann dies zum Beispiel zu Beginn eine Psychologin im Krankenhaus sein, im weiteren Verlauf dann der Partner oä.
Die Fragen ( und die Beantwortung!) stärken die Akzeptanz des Ereignisses, da sie den Klienten in den Bewältigungsprozess aktiv einbeziehen. Der Klient erfährt positive Verstärkung, die Selbstwirksamkeit wird aktiviert. Eine Ahnung davon, wie es weiter gehen könnte, etabliert sich. Somit ist diese Tool durchaus dem Begriff der RESILIENZ zu zuordnen, so Reidlinger und Hörburger in ihrem o.g. Artikel.
Resilienz umfasst unser PSYCHISCHES Immunsystem. Resilienz umschreibt eine Form von Bewältigungsstrategien bei kritischen Lebensereignissen ( COPING), der Schwerpunkt meiner Coachingtätigkeit.
Es geht hierbei um Fragestellungen, wie dem Umgang mit Schicksalsschlägen oder eben der Bewältigung von traumatischen Erfahrungen.
Menschen mit einem ausgeprägten Vermögen an Resilienz verfügen eher über einen internen Kontrollfokus. Sie wissen, dass ihr eigenes Handeln Konsequenzen hat. Sie können Dinge aktiv beeinflussen.
Menschen mit einem eher geringen Vermögen an Resilienzstrategien zeigen einen externen Kontrollfokus. Sie denken, ihr Schicksal sei von Außen fest deklariert. Sie können weniger selbst und aktiv Einfluss ausüben. Sie fühlen sich Krisen gegenüber eher ausgeliefert. Das Coaching Tool kann hier eine tolle Unterstützung bieten. Es vermittelt Halt und gibt einen festen Rahmen vor.
Fragen wir also nun konkret!
WER? BEZUGSPERSONEN in der Krise.
Wer kann mich gerade jetzt im Moment am besten unterstützen? Wer ist da? Wer versteht meine Situation am besten? Wer gibt mir Halt?
Elementar ist hierbei, dass der Klient versteht, dass es wichtig ist, VERBINDUNGEN zu halten. Zu sich selbst und zu anderen Bezugspersonen seiner sozialen Umwelt. Der Coach vermittelt dem Klienten, dass der Kontakt zu anderen, vertrauten Menschen Schutz bedeutet. Der Coach hilft dem Klienten auch tatsächlich bei der Suche der protektiven Bezugsperson, bis diese tatsächlich gefunden ist. Wie oben bereits erwähnt, müssen dies nicht zwangsläufig Personen aus dem direktem Familien,- oder Freundeskreis sein. Auch professionelle Helfer können hier unterstützen, z.B. Ärzte, Sozialarbeiter, Coaches.
Jeden Tag aufs Neue fragt sich der Klient, WER kann mir HEUTE helfen? WER versteht mich HEUTE am besten?
Nachdem die Bezugsperson bestimmt ist, stellt sich die Frage nach dem WAS? HANDLUNG-
Was kann der Klient selbst aktiv beitragen, um einen adäquaten Umgang mit der Lebenskrise zu erzielen? Das kann ein Ritual sein, zum Beispiel Beten, Atemübungen, ein Spaziergang. Täglich durchgeführt in einem festen Rahmen, zur gleichen Zeit. Nach Außen hin sichtbar und wahrnehmbar für die soziale Umwelt. Denn auch hierbei geht es wieder um Verbindung! Die Außenwelt nimmt die Bemühungen des Klienten wahr. Der Klient verbindet sich durch seine tägliche Routine mit dem Außen.
Coach und Klient überlegen gemeinsam, welche Rituale, auch gemeinsam mit der Bezugsperson, in den Alltag integriert werden können. Ein gemeinsamer Spaziergang an der frischen Luft, ein Besuch in einem schönen Cafe. Was hier banal wirkt, in einer schweren Krise sind das schon große ( Fort)- Schritte!
Der Aspekt der Belohnung steht hier im Vordergrund. Sich zu belohnen, schafft positive Verstärkung. Die Gefühlswelt weitet sich aus, die Wahrnehmung wendet sich ins Positive. Das schafft Selbstvertrauen. Jetzt kann sich Entspannung entfalten. Der erste Schritt zur Akzeptanz ist getan!
Somit geht es weiter im Prozess, zum WIE? WIE schaffe ich es, die Situation anzunehmen? Welche INNERE HALTUNG hilft mir? Hierbei geht es um Prinzipien und Werte ( vgl. Reidlinger und Hörburger) des Klienten. Bei der Frage nach dem WIE kommen erlernte Glaubenssätze aus der Biografie ( "DU bist ja immer krank" o.ä.) des Klienten, sowie moralische Prinzipien, Wertevorstellungen oder Religionsfragen zur Geltung. Stark religiöse Menschen verfügen über gute Resilienzstrategien!
Die Frage nach dem WIE ist im Coaching die zeitintensivste. Sie verlangt mehr Tiefe als das WER und WIE. Der Prozess im WIE erfolgt von Innen nach Außen. Innere Werte werden moduliert zu einer Handlungsanweisung. Wenn ich schon als Kind immer stigmatisiert wurde mit dem Glaubenssatz, "das schaffst DU eh nicht", WIE kann ich nun als Erwachsener eine Krise bewältigen? Das WIE impliziert ein Suchen und Finden nach AUTONOMIE.
Der Bewältigungsprozess anhand dieses Tools führt den Klienten von absoluter Schwere über Akzeptanz bis hin zu Autonomie und ist deshalb so unglaublich intensiv und spannend!
Hier nochmal eine Visualisierung des Coaching Tools nach Reidlinger und Hörburger:
WER? Person
^ ^
v v
WAS? sichtbare Handlung > < WIE? innere Haltung
Wie bei jedem Coaching Tool ist zu empfehlen, zunächst mit sich selbst zu üben
( Selbsterfahrung)
Pia Lewerenz Bluhm
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