Die Diagnose einer schweren Erkrankung, eine Trennung, der Verlust des Jobs -wir alle kennen diese "kritischen Situationen" in unserem Leben.
Aber wie komme ich da wieder raus?
Jeder von uns hat seine ganz eigenen Strategien, mit einer Krise umzugehen, bewusst oder unbewusst.
Manche Menschen ziehen sich zurück, manche treiben z.B. exzessiv Sport.
Wie reagierst Du?
Ob man sich einer Krise eher aktiv entgegen stellt, oder passiv reagiert, hängt davon ab, wie man bereits in der Kindheit gelernt hat, mit Schwierigkeiten umzugehen. Die Eltern sind hier Vorbild, wir übernehmen oftmals ihre Art und Weise der Konfliktbewältigung.
In der Psychologie spricht man vom "Lernen am Modell". Wir machen das nach, was die Eltern uns vorleben. Wenn man in der Familie zum Beispiel beobachtet hat, dass Alkohol ein "Hilfsmittel" bei Stress ist, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, später im Leben ebenfalls nach Alkohol zu greifen, wenn es "kriselt".
Kannst Du Strategien aus deiner Familie benennen, die du als Erwachsener übernommen hast? Überlege einmal...
Aber auch eigene Erfahrungen im späteren Leben tragen maßgeblich dazu bei, wie wir Krisen meistern. Wie unterstützt dich dein Partner, deine Freunde? Oder musst du alles ganz allein bewältigen?
Hast du zuvor schon oft die Erfahrung gemacht, zu scheitern, spricht man in der Psychologie von "gelernter Hilflosigkeit". Häufige Enttäuschungen oder Abweisungen führen dazu, dass wir denken, "mir kann ja eh` nichts und niemand helfen". Wir erleben ein erlerntes Gefühl, hilflos zu sein.
In der Psychologie ist die Bewältigung von Krisen ein ganz eigenes Themengebiet und nennt sich: COPINGSTRATEGIEN bei KRITISCHEN LEBENSEREIGNISSEN.
Unter dem Begriff des Copings versteht man alle Anstrengungen eines Menschen, schwierige Anforderungen zu meistern und zu akzeptieren.
Kennzeichen der Krise ist hierbei, dass diese Anforderungen unsere persönlichen Ressourcen übersteigen.
Unsere Handlungsfähigkeit ist eingeschränkt, wir fühlen uns wie gelähmt.
Wir verlieren das Ziel aus den Augen, geraten in einen Tunnelblick. Wir verkleinern sozusagen unseren Blick, da uns die pure Größe des kritischen Ereignisses komplett überfordert.
Das Gefühl kennst du sicher, wenn du z.B. Panik vor etwas hast ( die Nachricht einer schweren Diagnose oä), verengt sich dein Blickfeld. Alles fokussiert sich auf diesen einen Umstand. Dies ist ein Schutzmechanismus des Körpers. Die Konzentration geht auf das absolut Wesentliche. Das Gefühl der Panik kann unser Organismus glücklicherweise für etwa 20 Minuten aufrecht halten, danach ebbt die Panik automatisch ab.
Die Anstrengung, die Anforderung einer Krise zu meistern und zu akzeptieren, findet auf kognitiver, emotionaler und behavioraler Ebene statt- also im Denken, im Fühlen und im Verhalten.
Wenn wir einem kritischen Ereignis ausgesetzt sind, bestimmen unsere Gedanken, unsere Gefühle und unser Verhalten, die Art und Weise, wie wir mit dieser Situation umgehen.
Deine Gedanken wirbeln wie wild durcheinander: "Was kann ich jetzt tun?, wie geht es weiter?"
Deine Gefühle fahren Achterbahn: Wut, Angst, Hilflosigkeit.
Dein Verhalten ist dementsprechend unreguliert: du weinst, bist unruhig, läufst hin und her.
Durch Schock und Überforderung, die Krisen mit sich bringen, brechen diese Bereiche zunächst voneinander ab, verlieren ihre Verbindung zueinander.
Um eine Krise zu bewältigen, müssen Gedanken, Gefühle und Handeln wieder reguliert werden , in eine Verbindung kommen:
Coping bedeutet, die Verbindung zwischen Denken, Fühlen und Verhalten wieder herzustellen- das ist der Schwerpunkt meiner psychologischen Arbeit!
Wenn das dein Interesse weckt und du aktuell von einer Krise überwältigt wirst und Unterstützung benötigst, vereinbare gern einen Termin bei mir:
Du kennst sicher das Gefühl, dass alles durcheinander gerät und du dich wie zerbrochen fühlst, wenn du in einer krisenhaften Situation fest steckst. "Ich bin nicht ganz bei mir", "ich bin total durcheinander" sind nur einige Ausdrucksformen dieses Gefühls.
Hingegen "ins Lot kommen", "sich sortieren" etc. drücken aus, dass wir wieder in Verbindung kommen im Denken, Fühlen und Handeln.
Was passiert mit uns, wenn uns ein Ereignis vollkommen aus dem Leben katapultiert- wie zum Beispiel die Diagnose einer schweren Erkrankung?
Die folgende Auflistung basiert auf Erfahrungswerten, ist nicht wissenschaftlich evaluiert. Wer hierzu mehr lesen möchte, dem empfehle ich das Buch: Rebecca Böhme: RESILIENZ. Die psychische Widerstandskraft. C.H. Beck. Wissen. München, 2019.
Alles beginnt mit dem SCHOCK! Die Nachricht über eine schwere Diagnose. Die Welt bricht zusammen. Ein Loch tut sich im Boden auf und du fällst und fällst ins Bodenlose.
Jeglicher Halt geht verloren. Panik steigt in dir auf. Das Gefühl, das hier gerade wird für immer sein. Hier komme ich nie wieder raus. Du denkst, dein bisheriges Leben, wie du es kennst, ist in dieser Sekunde vorbei. Alles bricht auseinander. Das Leben ist zu Ende. Jetzt sofort, hier im Augenblick. Unwiederbringlich.
Doch eines zum Trost schon vorweg: so wird es zum Glück nicht bleiben. Der Prozess entwickelt sich weiter. Die Gefühle werden sich regulieren.
Nach dem ersten Schock folgt jedoch zunächst die Angst. Was kommt jetzt auf mich zu? Dein bisheriges Leben ist komplett auf den Kopf gestellt. Die Sicherheit wackelt, alles ist aus den Fugen geraten. Das macht große Angst, die sich bis zur Panik steigern kann. Jeglicher Halt fehlt. Die Verbindung zwischen Fühlen, Denken und Handeln ist auseinander gebrochen.
Nach dem Gefühl der Angst stellen sich Zweifel ein."Warum gerade ich? Was wird aus meinem Job!? Was passiert mit der Familie?" So schlimm dieser Zustand ist, es ist jedoch schon der erste vorsichtige Blick in die Zukunft gerichtet. Die Gedanken und Sorgen richten sich schon auf zukünftige Sachverhalte. Ein erster kleiner Schritt in Richtung Bewältigung ist getan.
Die Zweifel schaffen Raum für Hoffnung, aber auch Verleugnung." Vielleicht ist es doch nicht so schlimm? Vielleicht wurde da etwas verwechselt? Ich hole mir noch eine zweite Meinung!"
Hoffnung und Verleugnung liegen nah beieinander. Wenn ich auf etwas anderes hoffe, verleugne ich zugleich das was ist. Ich verkenne die Realität, jedoch immer mit dem Blick auf das Positive. Eigentlich ein genialer Mechanismus unseres Gehirns.
Die Verleugnung kann nicht lange aufrecht gehalten werden. Die Auseinandersetzung mit dem was ist, folgt zwangsläufig. Die Realität wird erkannt und angenommen. "Es ist, wie es ist, ich mache das Beste draus". Die Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten folgt. "Was bedeutet das alles für mich? Was muss jetzt getan werden? Was muss ich machen?" Dieser Schritt ist mit dem Sammeln von Informationen gekoppelt. Professionelle werden hinzugezogen, man sondiert Informationsmaterial, Bücher etc
Hier eine Bitte: wenn möglich, nicht ausschließlich in sozialen Netzwerken recherchieren! Insbesondere bei Erkrankungen sind bei google et al fast immer die absolut perspektivlosen Berichte und Erfahrungen subsummiert. Kein Mensch schreibt: "Ich hatte Krebs und habe alles gut überstanden". Die Erfahrungsberichte sind ist extrem negativ orientiert, wenn es um Krankheiten oä geht! Es macht einfach unnötig Angst und verunsichert enorm. Unsere Wahrnehmung ist in Krisen selektiert geschärft für Schlechtes und Schlimmes. Das nehmen wir viel aufmerksamer wahr, als das Positive, denn unser Gehirn sucht immer nach Bestätigung.
Suche dir Gesprächspartner in der Familie oder im Freundeskreis. Reden hilft und ist ein Wegbereiter hin zur Akzeptanz.
Mit der Akzeptanz kommen Fragen, "Wie mache ich das Beste daraus?", "wer oder was hilft mir jetzt"? Es kann zu einer positiven Umdeutung kommen, ein sogenannter Weckruf wird interpretiert, nach dem Motto, jetzt erst recht!
Die Integration des Erlebten ins eigene Leben ist ein existentieller Schritt zum Ende der Bewältigungsabfolge. "Das gehört jetzt zu mir und ich kann gut damit leben!"
Fühlen, Denken und Handeln kommen jetzt wieder in Verbindung. Das kritische Lebensereignis integriert sich in die eigene Biographie. wird zum akzeptierten Wegbegleiter.
Was kann in im Bewältigungsprozess helfen?
Hier einige Anregungen:
Alle Gefühle, Ängste und Sorgen ZULASSEN. Sie bleiben nicht für immer. Alles ist im Fluss und verändert sich. Ganz sicher! Keines dieser existentiellen Gefühle bleibt für immer, auch wenn es zu Beginn so scheint.
Vertrauen, dass sich ALLES relugiert! Die größte Panik wird sich legen, die Verunsicherung wird weniger. Unser Gehirn KANN solch negative Gefühle gar nicht lange halten!
Informationen sammeln, sich des Problems ermächtigen. Information ist Macht und macht sicher und stark!
Mit anderen Menschen reden. Professionelle ( Ärzte, Therapeuten), Familie und Freunde. Achte auf Kontakte, die dir in dieser Situation wirklich gut tun, dir Energie und Zuversicht geben und nicht rauben. Hier darfst du egoistisch sein. In einer existentiellen Notlage wie einer schwere Erkrankung, musst du nicht auf andere Rücksicht nehmen. Du darfst ganz egoistisch sein!
Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen ist oftmals hilfreich. Zu wissen, man ist nicht allein, es gibt andere Weggefährten, kann sehr unterstützend sein.
Ablenkung! Beschäftige und umgebe dich mit schönen Dingen! Aktiviere ein kreatives Hobby, sofern es deine Kräfte zulassen. Schau dir einen schönen Bildband an, höre ein Hörspiel, kaufe dir etwa Schönes. Verwöhne dich! Das steigert dein Wohlbefinden und dein Selbstwertgefühl!
Sei, vielleicht zum ersten Mal in deinem Leben richtig egoistisch! Denke nur an dich! Du musst jetzt keinem gefallen, es niemandem recht machen. Im Job: das klappt jetzt auch mal ohne dich. In der Familie: hole dir Hilfe. Vielleicht kann dein Mann ins homeoffice wechseln, die Großeltern kommen! Wenn du müde bist, lege dich hin. Der Haushalt ist jetzt gerade nicht so wichtig! Du bist wichtiger als die geputzte Fensterscheibe.
Wenn du Kinder hast, spreche offen mit ihnen über deine Erkrankung ( oder das was dich beschäftigt). In altersgerechter Sprache. Überspielen oder Verheimlichen macht keinen Sinn. Deine Kinder haben feine Antennen und spüren, dass etwas anders ist.
Beginne, wenn du die Kraft dazu hast, Tagebuch zu schreiben. Das klärt deine Gedanken. Deinem Tagebuch darfst du alles anvertrauen, auch Dinge, die du deinen Mitmenschen vielleicht nicht sagen möchtest.
Oftmals sind auch Affirmationen tröstend und stärkend. Sätze, wie "Das Universum beschützt mich" sind enorm in ihrer positiven Wirkung.
Schmiede Pläne für später! Die Reise nach Frankreich ans Meer, das Konzert im Frühling. Verschaffe dir und deinem Leben positive Perspektiven. Das gibt Sicherheit und Freude.
Mach die Dinge einfach! Du wolltest schon immer zeichnen lernen? Mach es jetzt! Auf die Zugspitze hoch? Eine alte Freundin kontaktieren? Einen ganzen Tag nur schlafen! Mach es einfach! Hier und Jetzt!
Gönne dir ganz viel Ruhe. Schlafe, wenn du es magst. Kuschel dich auf dein Sofa und lese ein Buch. Betreibe SELBSTFÜRSORGE! Nur für dich!
Bewegung an der frischen Luft ist wohltuend. Überfordere dich nicht. Nur so viel wie du möchtest. Du bist der Navigator deines Tuns!
Zum Ende aller Krisen ( Erkrankung, Trennung o.ä.) ist eine Auszeit, also Urlaub oder eine Reha empfehlenswert. Es gibt Raum zur Reflektion, zur Integration, schafft neue Perspektiven und natürlich einfach zur Erholung. Eine Auszeit ermöglicht eine imaginäre Trennlinie zwischen dem Davor und dem Danach. Ein innerer Schlussstrich, für die Bewältigung ist das sehr hilfreich.
In allen Prozessen der Bewältigung gilt es, sich Zeit und Raum zu geben. Für die neuen, ungewohnten Gefühle, die dich übermannen. Für dich selbst. Die Dinge anzugehen, im Sinne von "SCHRITT FÜR SCHRITT", kann den Bewältigungsprzesse erleichtern. Es schafft eine Übersichtlichkeit, reduziert Überforderung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, das zur Bewältigung von Krisen insbesondere gute soziale Kontakte, das Sammeln von Informationen, Zeit und Ruhe, das Beschäftigen mit schönen Dingen, positive Perspektiven und die Identifikation mit Betroffenen hilfreich sein kann. Bewegung, Kreativität, Selbstfürsorge und Erholung tragen ebenfalls zu einem erfolgreichen Bewältigungsprozess bei.
Selbstverständlich ist diese Auflistung nicht komplett und für jeden Einzelnen ist der Weg sehr individuell.
Ein wichtiger Aspekt ist zudem die Selbstwirksamkeit. Zu spüren und zu wissen, dass durch das eigene Zutun, eine Krise gemeistert werden kann. Selbstwirksamkeit lässt sich u.a. durch Kreativität schulen. Ein schönes Bild- selbst gemalt- macht Spaß und stolz. Man kann etwas! Kunsttherapeutisches Arbeiten ist ebenfalls ein Instrument der Bewältigung.
Passive Bewältigungsstrategien, wie Drogen, Alkohol haben hier keine Erwägung gefunden, sind jedoch auch relevante Aspekte der Bewältigungsforschung. Hier ist eine gezielte Aufmerksamkeit auf das individuelle Verhalten notwendig.
Was im Weg ist, wird zum Weg!
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